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Primadonnen. Stimmen durch die Jahrhunderte. Radiokolleg Ö1. 25.10 – 29.10. 2021

Eine Primadonna war in der italienischen Barockoper die „erste“ Sängerin. Sie übernahm die weiblichen Hauptrollen, bekam die halsbrecherischen Bravourarien auf den Leib komponiert und trug oft aufwendige Kostüme. Der wichtigste männliche Sänger einer Oper, der meistens ein Kastrat war, wurde hingegen als primo uomo („erster“ Mann) bezeichnet. Eine Primadonna musste bestimmte Stimmqualitäten mitbringen: Stimmschönheit, Größe und Volumen der Stimme, Virtuosität, Koloraturen und Ausdruckskraft. Auch das Alter und die Reife der Sängerin spielten eine Rolle. Junge Sängerinnen waren am Beginn ihrer Karriere noch keine Primadonnen, den Status mussten sie sich im Laufe der Jahre hart erarbeiten.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden Sopranstimmen immer beliebter und der Begriff der Primadonna stand immer enger in Verbindung mit einer virtuosen hohen Stimmlage. Georg Friedrich Händel setzte zum Beispiel am King’s Theater in London als Primadonnen vor allem Sopranistinnen ein. Unter anderem engagierte er die beiden italienischen Sängerinnen Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni. Sie gelten bis heute als DIE Primadonnen der Barockzeit, die sich erbitterte Machtkämpfe lieferten. In der Barockzeit erreichte nämlich der Starkult einen ersten Höhepunkt, das Publikum verlangte nach Rivalitäten, Konkurrenz, Liebe, Schmerz und Hass.

Es ist überliefert, dass die beiden Operndiven Cuzzoni und Bordoni nicht miteinander auf der Bühne stehen wollten und einander den Erfolg missgönnten. Der Höhepunkt des „Stimmenkriegs“ zwischen den beiden Frauen wurde am 6. Juni 1727 bei der Aufführung einer Oper von Giovanni Maria Bononcini erreicht. Unter einem Pfeifkonzert und den Buhrufen des Publikums wurden die beiden Sängerinnen auf der Bühne sogar handgreiflich. Feindschaften zwischen Sängerinnen gibt es, seit es die Oper gibt.

Und so fehlte es auch im 20. Jahrhundert nicht an Sängerinnen, die sich bekämpften. Die Primadonnen Maria Callas und Renata Tebaldi sind das wohl berühmteste Rivalinnen-Paar. Ihre Konkurrenz wurde von den Medien gnadenlos ausgeschlachtet: Wer singt höher, wer intonierter, wer meistert die spektakulärsten Koloraturen? Oder: Wer sieht besser aus? In dieser Zeit verlor der Begriff der Primadonna seine ursprüngliche Bedeutung und bekam einen negativen Beigeschmack. Eine Primadonna war nicht mehr nur stimmgewaltig und virtuos, sondern sie war eine kapriziöse Diva mit Starallüren, eine glamouröse Zicke, eine sich rar machende Exzentrikerin. Heute nimmt man in Fachkreisen Abstand von dieser Bedeutung.

Die Steigerungsform der Primadonna ist die Primadonna assoluta. Sie ist so überragend, dass sie sogar alle anderen Primadonnen übertrifft. Als unerreichte Primadonna assoluta des 20. Jahrhunderts gilt Maria Callas. Anna Netrebko wird heute von vielen Medien als die einzig verbliebene Primadonna assoluta bezeichnet.

 

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