Die canzone siciliana, das sizilianische Lied, ist ein Schmelztiegel der Kulturen. In ihm vermischen sich griechische Metrik mit arabischer Dichtkunst, spanische Klänge mit italienischen Melodien. Die Insel zwischen Afrika und Europa wirkte auf die Herrscher rund um das Mittelmeer seit jeher wie ein Magnet. Griechen, Römer, Mauren, Araber, Perser, Spanier, Franzosen und Österreicher besetzten und beherrschten Sizilien über fast 3.000 Jahre. Für die Vokalmusik war das ein Glücksfall: Sie trägt bis heute eine ureigene Handschrift.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden die alten Lieder mündlich weitergegeben oder von Volkskundlern und Reisenden notiert. Heute sind es die politischen Künstler/innen Siziliens wie Etta Scollo oder Pippo Pollina, der Theaterschauspieler und Folksänger Pino di Vittorio oder das Ensemble Al Qantarah, die den traditionellen Volksgesang mit dem modernen Lied verbinden.
Das sizilianische Lied ist zum Exportschlager der Insel geworden, nachdem es jahrzehntelang zwischen Kitsch und Melodramatik dahindümpelte. Es ist Sinnbild für ein modernes Europa, für Vielfalt und multiethnische Einflüsse, für Entdeckung und Abenteuer, für Reise und Flucht.
Gestaltung: Verena Gruber