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La canzone siciliana. Volkslied, Arie, Popsong. Ö1 Radiokolleg. Mai 2021

Die canzone siciliana, das sizilianische Lied, steht seit jeher in enger Verbindung mit der Geschichte der Insel. Sizilien, Italiens Schlussstein, war über Jahrhunderte ein multiethnisches Land, einer der frühesten Schmelztiegel der Welt: Byzantiner, Griechen, Römer, Mauren, Araber, Perser, Spanier, Franzosen und Österreicher beherrschten die größte Insel im Mittelmeer. Sizilien war ein Umschlageplatz für Handel, Ideen und Kultur. Das verlieh auch der Musik einen ureigenen Stempel. In den sizilianischen Liedern vermischten sind griechische Metrik, arabische Dichtkunst, persische Melodien und spanische Klänge.

Die erste Blütezeit des sizilianischen Liedes fällt ins 13. Jahrhundert, in die Herrschaft der Staufer. Kaisers Friedrich II., einer der schillerndsten und mächtigsten Persönlichkeiten des Mittelalters, förderte als König von Sizilien den Kulturaustausch zwischen arabischer und christlicher Welt. Unter seiner Herrschaft wurde Palermo zu einer der prächtigsten und kultiviertesten Städte in ganz Europa, ein Zentrum der Kultur und Wissenschaft. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten dokumentierten profanen und sakralen Lieder Siziliens. In ihnen vermischen sich Volkslied und Kunstlied: Gesänge der Bauern und Fischer, religiöse Lieder zu Prozessionen und Begräbnissen, die Hofmusik der “trovatori”, der sizilianischen Minnesänger.

Nach dem Tod Friedrichs 1250 wurde Sizilien für mehrere Jahrhunderte Spielball von Mittelmeermächten, die das Land besetzten und herunterwirtschafteten: Es folgten Epochen der Kriege, Plünderungen, Erdbeben und Hungersnöte. Das hatte Auswirkungen auf die Musik. 400 Jahre blieb Sizilien in spanischer Hand, eine Provinz, vernachlässigt, geplündert und abgeschnitten von den Fortschritten der Renaissance und des Barock. Die berühmten in Sizilien geborenen Komponisten – Sigismondo d’India, Alessandro Scarlatti oder Vincenzo Bellini – verließen in jungen Jahren die Insel und wurden im Norden erfolgreich.

Erst im 19. Jahrhundert besann man sich wieder der eigenen Tradition. Als der Opernkomponist Giacomo Meyerbeer 1816 die Insel bereiste, schrieb er eine Vielzahl an traditionellen Liedern und Melodien nieder. Einige Jahrzehnte später begann der sizilianischer Volkskundler Alberto Favara Tausende von Liedern zu sammeln, die Gesänge der Bauern, Schäfer, Bergarbeiter und Fischer.
Beide Sammlungen bilden heute zusammen mit Feldforschungsaufnahmen der neueren Zeit die Grundlage für die Erforschung des sizilianischen Liedes.
Heute sind es die politische Künstler Siziliens wie Etta Scollo oder Pippo Pollina, die den traditionellen Volksgesang mit dem modernen Lied verbinden.

Das sizilianische Lied ist zum Exportschlager der Insel geworden, nachdem es jahrzehntelang zwischen Kitsch und Melodramatik dahindümpelte. Es ist Sinnbild für ein modernes Europa, für Vielfalt und multiethnische Einflüsse, für Entdeckung und Abenteuer, für Reise und Flucht.

Mai 2021 – Ö1 Radiokolleg

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